Demenz

Oft wird man in der psychiatrischen Praxis um Rat bzgl. einer Einschätzung über die kognitiven Fähigkeiten eines nahen Angehörigen gebeten. Nicht selten machen sich Kinder oder Ehepartner älterer Menschen Sorgen, es könnte sich eine "Alzheimerdemenz" entwickeln. Doch was ist eigentlich eine Demenz? Und welche Arten gibt es? Oder handelt es sich einfach nur um eine Depression oder Antriebslosigkeit?

Demenz bezeichnet den erworbenen Verlust "höherer Hirnleistungen". Gemeint ist damit zum einen die Fähigkeit sich erinnern zu können - das Langzeitgedächtnis bleibt dabei meist sehr lange intakt -, die Fähigkeit Neues zu erlernen, aber auch in weitere Folge eine Wesens-und Verhaltensveränderung. Laut Lehrmeinung ist die Alzheimerdemenz die häufigste Demenzart. Diese Art der Demenz kann mit Sicherheit allerdings erst nach dem Tod im Rahmen einer Obduktion festgestellt werden. Charakteristisch sind dabei Amyloidablagerungen im Gehirn.
Weiters häufig sind sogenannte "Vaskuläre Demenzen". Ursächlich für diese sind (meist chronische) Schäden der versorgenden Gefässe im Gehirn. Risikofaktoren sind erhöhter Blutzucker, Blutdruck, sowie Blutfette.
Viele andere Erkrankungen wie chronischer Alkoholkonsum, die Parkinsonerkrankung oder auch eine HIV- Infektion können zu einem fortschreitenden Abbau kognitiver Leistungen führen.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Eine med. Behandlung ist nur bei der Alzheimerdemenz zugelassen. Diese kann den Verlauf jedoch nur bremsen.
Die anderen Demenzarten werden nach der jeweiligen Ursache behandelt (Blutdruckregulation, Blutzuckeroptimierung, etc.)

 

Depression

Die Depression ist eine Erkrankung des Affektlebens. Typische Symptome sind Antriebslosigkeit, Interessenslosigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, eine traurige Verstimmung bis hin zu Suizidgedanken. Die Dauer muss mindestens zwei Wochen betragen damit die Diagnose gerechtfertigt ist. Treten mehrere solche Episoden im Leben auf spricht man von einer rezidivierenden Depression. Gibt es dazwischen Phasen von (inadäquat) gesteigerter Stimmung und Antrieb sprich man von einer bipolaren (früher manisch-depressiven) Erkrankung.

Begleitend zu einer med. Therapie ist eine psychotherapeutische Behandlung anzuraten. Dabei wird meist inform von Gesprächen oder auch nonverbal je nach Therapierichtung versucht die Ursache verstehen zu lernen und Bewältigungsstrategien zu erarbeiten.
Je nach Geschlecht und Alter zeigt die Depression oft verschiedene Gesichter. Da bei älteren Menschen Konzentrationsstörungen, Ratlosigkeit und Antriebslosigkeit in Kombination mit einer Schlafstörung dem Bild einer Demenz recht ähneln, kann man Depressionen leicht mit einer Demenzerkrankung verwechseln.
Die Behandlung mit Antidepressiva ist nur dann gerechtfertigt wenn ein gewisser Schweregrad der Erkrankung erreicht ist. Diese Entscheidung obliegt dem Psychiater.

 

Wie unterscheide ich Demenz von Depression?

Abgesehen davon dass auch demente Menschen depressiv werden können - dh. dass auch beide Erkrankungen gleichzeitig bestehen können - gibt es gewisse Unterscheidungsmerkmale von Demenz und Depression.

Bei Depressionen ist der Beginn meist schnell, die Stimmung dabei beständig schlecht und der Patient neigt eher dazu seine Schwachstellen in den Vordergrund zu rücken. Im Gegensatz dazu tendieren demente Menschen dazu, ihre Defizite so lange wie möglich zu verbergen. Außerdem gibt es oft deutliche tageszeitliche Schwankungen.

Häufig wird bereits in der Ordination ein Mini-Mental-State sowie ein Uhrentest gemacht. Dies sind Screeningtests bei denen man sich in wenigen Minuten einen Überblick über die kognitiven Fähigkeiten des Betroffenen machen kann. Bei diesen Tests, vor allem beim Uhrentest, schneiden Depressive meist besser ab - eine entgültige Aussage kann aber dennoch nicht getroffen werden.

Zur genauen Abklärung gehört ein ausführlicher Blutlaborbefund (inklusive Schilddrüsenwerten, Folsäure, Luesserologie). Zusätzlich dazu empfiehlt es sich eine Bildgebung vom Schädel mittels CT oder MRT durchführen zu lassen.

 

Was sind Antidepressiva und wie wirken sie?

Antidepressive sind eine heterogene Gruppe an Medikamenten die prinzipiell dazu gedacht sind die bei der Depression traurig getönte Stimmung aufzuhellen. - Aber nicht nur das! Die meisten von ihnen haben mehrere Zulassungen wie bei Angst-oder Zwangsstörungen. Wie das funktionieren kann erklärt sich großteils aus dem Wirkmechanismus. Modernere ADs werden in die Gruppen SSRI, SNRI und NDRI unterteilt. Daneben gibt es noch einige Medikamente die in ihrer Wirkweise alleine sind und keiner dieser Gruppen zuzuordnen sind. An den Buchstaben erkennt man jeweils die Hormone im Gehirn, die vermehrt verfügbar gemacht werden sollen, nämlich Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. "RI" bedeutet Reuptake-Inhibitor - also dass das Hormon verlangsamt auf natürlichem Wege wieder abgebaut wird und somit vermehrt zur Verfügung steht.

Es hat sich eingebürgert, im Labor den Serotonin-Blutspiegel bestimmen zu lassen. Dies ist unnötig da der Blutspiegel nichts über die Verfügbarkeit im intersynaptischen Spalt des Gehirns aussagt!

Obengenannte Hormone haben vielfältige und komplexe Aufgaben wenn es um Stimmung und Antrieb geht und es hat sich gezeigt, dass SSRI und SNRI auch bei verschiedenen Angsterkrankungen wirksam sind.

Jedes Antidepressivum hat charakteristische Eigenschaften und sollte entsprechend individuell angepasst werden. Dabei muss auch auf das Nebenwirkungsspektrum geachtet werden. Eine weitverbreitete Sorge der Betroffenen ist die, dass ADs abhängig machen - dies trifft für keines zu! Allerdings sind häufige NW Gewichtszunahme, Mundtrockenheit und Libidoverlust.

Entsprechend muss dabei auch darauf geachtet werden, wem das Medikament verschrieben wird: Ist es eine junge Frau mit Kinderwunsch? Wie sieht es mit dem Gewicht aus? Besteht eine Schlafstörung?

 

Was ist Sucht?

Auch wenn viele glauben, sie seien süchtig nach Schokolade oder Fernsehen - ganz so einfach ist das nicht.

Was man im eigentlichen Sinn unter Sucht versteht ist eine variable Zusammensetzung von bis zu sechs verschiedenen Symptomen, die in Zusammenhang mit dem Konsum von sogenannten Suchtmitteln auftreten. Um es vorwegzunehmen: Spielsicht oder Internetsucht gehören hier nicht dazu, auch wenn durchaus Ähnlichkeiten im Verhalten bestehen! Laut ICD 10 sind dazu Substanzen nötig, die dem Körper in irgendeiner Form zugeführt werden - also Alkohol, Nikotin, THC, Opioide, Cocain, Halluzinogene oder Beruhigungsmittel.

Eine Suchterkrankung besteht dann, wenn über einen Zeitraum von mind. einem Monat drei der folgenden Symptome auftreten:

  • Craving bezeichnet eine unstillbare Gier nach der Substanz.
  • Eine Toleranz zu entwickeln bedeutet, dass sich die (erwünschte) Wirkung bei bisherigen Mengen nicht mehr in gewohnter Form einstellt, also die Dosis gesteigert wird.
  • Entzugserscheinungen: bei Nicht-Konsum können Blutdruckanstieg, Übelkeit, Zittern, Schweißausbrüche bis hin zu epileptischen Anfällen auftreten.
  • Anhaltender Konsum trotz Schädigung bedeutet, man macht in seinem Verhalten weiter obwohl man bereits weiß, dass der Körper vom Verhalten Schäden trägt (zB. erhöhte Leberwerte bei Alkoholkonsum, COPD bei Rauchen etc)
  • Die Substanz steht im Mittelpunkt des Tagesgeschehens heißt, es dreht sich alles um den Konsum der Substanz. zB: ein Kettenraucher unternimmt deswegen keine Langstreckenflüge mehr oder ein Heroinabhängiger tut alles zur Organisationen der Beschaffung der nächsten Spritze.
  • Kontrollverlust bezieht sich nicht darauf an sich zu konsumieren (auch ein Suchtkranker hat phasenweise immer wieder die Kontrolle darüber ob er überhaupt konsumiert) sondern auf die Menge des Konsums sobald dieser begonnen hat.

Eine Suchterkrankung besteht also nicht - wie oft angenommen - alleine wenn regelmäßig eine Substanz zu sich genommen wird. Hier spricht man eher von "schädlichem Gebrauch" - aber auch nur dann wenn ein Schaden eindeutig auf den Konsum zurückzuführen ist!

Auch ist man nicht zwangsweise süchtig, wenn das Verhalten einer Funktion dient - also zB. das Entspannungstrinken oder das Trinken in Konfliktsituationen. Keine Frage, dass dies kein psychisch gesundes Verhalten ist, aber es bedarf einer Kombination der Symptome um von einer Suchterkrankung sprechen zu können.

Was allerdings dazugesagt werden sollte - es ist unwahrscheinlich körperliche Entzugserscheinungen zu haben und kein weiteres Symptom und damit nicht die Kriterien einer Suchterkrankung zu erfüllen!

 

Was ist eigentlich Schizophrenie?

Oft hört man den Begriff "schizophren" in Zusammenhang mit "Persönlichkeitsspaltung". Die beiden Erkrankungen haben aber nur sehr wenig miteinander zu tun.

Unter einer Schizophrenie versteht man eine tiefgehende Störung der Wahrnehmung und des Denkens - eine "Psychose". Die Patienten leiden dabei unter Symptomen wie Halluzinationen, Eingebungserlebnissen, Verfolgungsideen oder auch dem Gefühl andere mit ihren Gedanken beeinflussen zu können.

Es gibt dabei zwei Erkrankungsgipfel - um das 20. und das 40. Lebensjahr.

Diese in sich schon recht heterogene Erkrankung zeigt auch sehr unterschiedliche Verlaufsformen. Es gibt Psychosen, die nur einmalig auftreten, wie oft bei oder nach Drogenkonsum. Es gibt aber auch einen schubhaften Verlauf ebenso wie eine Chronifizierung in der die Symptome nie ganz abklingen.

Die Ursache ist nicht ausreichend bekannt und multifaktoriell - genetische Faktoren, Außenstressoren sowie Drogenkonsum als Auslöser werden diskutiert.

Diese Gruppe von Erkrankungen ist nicht nur für den Patienten extrem belastend, sondern auch für das nahe Umfeld oft existenzbedrohlich. Daher ist die Einbindung in die Behandlung der nächsten Bezugspersonen von größter Wichtigkeit.

Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös mit sog. Antipsychotika. Bekannte Substanznamen sind dabei Aripiprazol, Amisulprid, Quetiapin, Risperidon, Haloperidol, Olanzapin und Cisordinol. Einige davon sind auch in Depotform erhältlich. Das bedeutet sie können meist 1x/Monat ähnlich einer Impfung gespritzt werden. Dies hat den Vorteil des kontinuierlicheren Wirkspiegels und des besseren Nebenwirkungsprofils.

Zu beachten ist, dass jeder psychotische Schub die Prognose im Langzeitverlauf verschlechtert. Daher ist eine regelmäßige Medikamenteneinnahme unumgänglich.

 

Und was ist dann eine Persönlichkeitsspaltung?

Viele Begriffe in der Psychiatrie sind überholt und werden eigentlich nicht mehr verwendet. Dazu gehört "Persönlichkeitsspaltung" ebenso wie "Neurose".

Das Wort schizophren ist aus dem Griechischen abzuleiten und ist mit "gespaltene Seele" übersetzbar. Ich gehe im vorigen Teil auf die Symptomatik einer Schizophrenie ein - im Wesentlichen kommt es zu einem Zerfall des Ichs. Daher hat sich über lange Jahre die Idee der Persönlichkeitsspaltung durchgesetzt.

Das Manual zur Diagnoseerstellung - der ICD 10 Code der WHO - hat die psychischen Erkrankungen deskriptiv in neun Gruppen geordnet.

Tatsächlich hat eine Schizophrenie (Gruppe F2) aber nichts mit einer Persönlichkeitsstörung (Gruppe F6) zu tun. Auch nicht mit einer Persönlichkeitsspaltung oder "multiplen Persönlichkeit".

Letztere gehört in die Familie der "Neurotischen oder Belastungsstörungen" (Gruppe F4.)

Sie steht für den Begriff der im eigentlichen Sinne noch am ehesten mit einer gespaltenen Persönlichkeit zusammenpasst. Dabei handelt es sich um fragmentale Identitäten die parallel im gleichen Individuum existieren. So kompliziert wie dies klingt, ist es tatsächlich auch.

Der Betroffene weiß je nach Situation nicht von den anderen "Ichs" und lebt somit eine bis mehrere Parallelidentitäten. Dieses Phänomen ist selten und die Ursache liegt in schwersten und komplexen Traumaerlebnissen. Die Therapie der Wahl ist eine spezifische Traumatherapie.

Man spricht hingegen von einer Persönlichkeitsstörung (Gruppe F6) wenn das Fühlen, Erleben, Verhalten und Wahrnehmen in Bezug auf sich selbst und in sozialen Situationen gravierend von der Norm abweicht. Dies muß kontinuierlich seit Kindheit und Jugend der Fall sein und Leid bei sich und/oder anderen verursachen - dh. krankheitswertig sein.

Es gibt eine Vielzahl von Unterarten dieser Erkrankung. Die Diagnose kann ein Psychiater oder klin. Psychologe stellen und erfordert viel Erfahrung.

Die Behandlung der Wahl ist eine jew. passende Psychotherapie. Medikamente können unterstützend bzw. symptomatisch angewandt werden.

 

Was heißt "Ich bin eine Borderlinerin"?

Wie bei der Persönlichkeitsspaltung erwähnt gibt es zahlreiche Formen der Persönlichkeitsstörungen auf die ich hier nicht einzeln genau eingehen kann.

Der Borderlinestörung (F60.31) sei dennoch dieser Eintrag gewidmet, da sie die wahrscheinlich häufigste Form der Persönlichkeitsstörung darstellt und eine Komorbidität für zahlreiche andere psychische Erkrankungen darstellt.

Typisch für eine Borderlinestörung ist ein impulsives Verhalten, launische Stimmung, instabile Beziehung, wobei Entwertung von Verherrlichung des Partners sich oft schnell abwechseln, eine innere Leere sowie Spannungszustände die oft mit Selbstverletzungen aller Art reguliert werden, Angst verlassen zu werden, sowie Selbstmordgedanken.

Häufig leiden diese Patienten unter Substanzmißbrauch und Depressionen.

Die Therapie der Wahl ist eine spezifische Psychotherapie wie zB. die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie).

Im Vordergrund meines therapeutischen Arbeitens mit Borderlinern besteht eine tragfähige therapeutische Beziehung anzubieten und Ressourcen zu fördern.

Eine medikamentöse Unterstützung kann durchaus hilfreich sein, aber nicht die Ursache beheben.

 

Über das Schimpfen der Ärzte

Anlass für mich diesen Eintrag zu verfassen war eine erstaunliche Häufung der Aussage verschiedener Patienten und Patientinnen: "Sie schimpfen ja gar nicht mit mir?!" Das wiederum hat für mich rückschließen lassen, dass die jeweilige Person mindesten einmal schon geschimpft wurde - scheinbar von einem Arzt oder einer Ärztin. Hintergrund der verwunderten Aussage war meistens das Absetzen von Medikamenten aufgrund nicht tolerierbarer Nebenwirkungen.

Und was sind das für Nebenwirkungen, die Patienten zum Leid ihrer Ärzte nicht in Kauf nehmen wollen? Gewichtszunahme, sexuelle Dysfunktionen, Müdigkeit, Übelkeit, Mundtrockenheit und Schwindel sind die häufigsten Begründungen, die ich im Alltag höre. Ganz ehrlich - das würde ich auch nicht wollen!

Ich versuche bei der Medikamenteneinstellung zum einen gut verträgliche Präparate zu wählen und zum anderen zu signalisieren, dass sowohl Ehrlichkeit mir gegenüber als auch Ambivalenz erlaubt ist - ohne geschimpft zu werden.

Infolgedessen wird auch deutlich wie hier die Hierarchien gelegt sind. Arzt und Patient begegnen sich scheinbar nicht auf Augenhöhe, sondern es fühlt sich offenbar mancher Arzt in einer Art veralteter Lehrer-Schüler-Position.

Das finde ich nicht gut - um es ganz kurz zusammenzufassen.

 

Impressum: Dr. Anna Fabianek-Mottl, Mitglied der Ärztekammer für Niederösterreich
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